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für oder gegen die körperrodung?


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FAZ, 20.12.08

 

Körperrodung

Alle Haare wieder

Von Jörg Scheller

 

Geraume Zeit spross das menschliche Haar unaufgeregt vor sich hin. Ab und an störten emsige Friseure mit Lockenwicklern und Heißdampf seinen Frieden, Wucherungen an Beinen und Achseln wurden in ihre Schranken verwiesen, doch insbesondere in den mittleren Körperregionen genoss das Haar zumindest hierzulande eine fast klösterliche Ruhe. Man sprach über Kriege, Ölkrisen oder das Robbensterben, unser Körperhaar war eher selten Gegenstand einer öffentlichen Debatte oder der Literatur. Seit einigen Jahren ist das anders. Das menschliche Restfell wurde mit scharfer Klinge aus seinem Dornröschenschlaf geschreckt und steht nun im grellen Licht des Interesses. Kaum ein Medium zwischen Boulevard und Hochkultur, das nicht über Laserbehandlungen, Schamhaardesign, Brasilian Wax oder David Beckhams epilierte Hühnerbrust berichtet.

 

Die Entdeckung des Nacktmulls

 

Charlotte Roches Erfolgsroman „Feuchtgebiete“ stellte den vorläufigen Gipfel dieser Entwicklung dar und trug wesentlich dazu bei, die Diskussion über Rodung oder Aufforstung der westlichen Haarbestände unter feministischen Gesichtspunkten zu führen. Körperrasuren, so der Tenor der Rochianer, beleben das schwüle Altmännerideal der Lolita wieder. Dagegen führte Roche das Bekenntnis zum Körperhaar ins Feld. Das erscheint zunächst plausibel – und ist doch nicht auf der Höhe der Zeit. Die Rodung der abendländischen Körper ist längst kein Gender-Phänomen mehr. Vielmehr tritt die körperliche Ästhetisierung derzeit in ihre nachgeschlechtliche Phase ein.

 

Man lasse im Freibad unauffällig das Auge schweifen, schaue sich in der Sauna um oder werfe einen verstohlenen Blick in ein Erotikmagazin. Unweigerlich wird man feststellen: Auch und gerade die Männer haben den Nacktmull in und an sich entdeckt. So präsentierten bei den Olympischen Sommerspielen in Beijing die männlichen Athleten nicht nur sportliche, sondern auch rasurtechnische Höchstleistungen. Vom 10-Meter-Turm aus glitten schmirgelglatte Brustkörbe ins Wasser, nur selten rauschte das Achselhaar beim Anlauf des Speerwerfers. Heute ist es mitnichten dem weiblichen Geschlecht vorbehalten, wie die Lysistrate in Aristophanes’ gleichnamiger Komödie für libidinöse Erregung zu sorgen: „Wir sitzen hübsch geputzt daheim, wir gehn im Florkleid von Amorgos, halbentblößt, mit glattgerupftem Schoß vorbei an ihnen.“ In der Postmoderne hat sich die Bikinizone ausgedehnt und auch die Enklaven der Männlichkeit erfasst. Eine Umfrage der Universität Leipzig vom November 2008 ergab, dass bereits 79 Prozent der jungen männlichen Studenten regelmäßig mindestens eine Körperregion enthaaren, bevorzugt die Achselhöhlen, den Genitalbereich und die Brust.

 

Der Firnis der alten Meister

 

Wenn also Alice Schwarzer beklagt, dass sich Frauen „untenrum“ rasierten „wie eine Professionelle“, so übersieht sie, dass auch metrosexuelle Eroberer ihr Gemächt entstruppen wie einst Thorvaldsen seine klassizistischen Statuen; dass selbst der martialische Eisenhans im Fitnesscenter beim Bankdrücken jugendlich-blanke Achselhöhlen entblößt. Das piliphile Lob wild wuchernder Schönheit erreicht uns nurmehr aus der literarischen Vergangenheit, etwa aus dem Munde Baudelaires: „Und unter einem glatten sametweichen Bauch / Wie eines Bonzen Haut so braun / Ist ein so reiches Vlies – das muss die Schwester sein / Von dieser Haare Pracht.“

 

Es liegt nahe, dass jene Pracht, die den Betrachter gerade durch ihren verhüllenden Charakter erotisiert, in einer Kultur beständiger Selbstentblößung zwischen Facebook, Youporn und Reality-TV fast zwangsläufig verschwindet. Mit Gender hat das nur noch bedingt zu tun. Der Trend zur Körperrasur ist eine Fortsetzung des kollektiven, frivolen Exhibitionismus mit kosmetischen Mitteln. Alles muss raus! Alles muss sichtbar sein! Nackter als nackt sollen wir alle werden, die dunklen Nischen des Körpers sollen einer Ästhetik der zeitlosen Transparenz und der erotischen Unmittelbarkeit weichen. Schließlich haben wir nichts zu verbergen, oder? Verführerisch und unbefleckt wie die schillernden Waren in den Schaufenstern der Shopping Malls entpuppt sich der haarlose Körper als Konsumkörper. Sorgfältig designt, scheinbar unbenutzt, jungfräulich und zugleich verrucht, bietet er sich offenherzig zum Gebrauch an wie ein Plug-and-play-Gerät.

 

Für diese Körper gilt, was der Kunstwissenschaftler Wolfgang Ullrich über die jüngere Generation der Konsumgüter geschrieben hat: „Statt zu patinieren, verschmutzen sie oder gehen kaputt.“ Der Firnis der alten Meister, der mit den Jahren eine würdige, geheimnisvolle Aura annimmt, ist dem Konsumkörper fremd. Entweder Jugend und Erotik oder Tod – die Phase dazwischen ist nurmehr ein lästiger Wurmfortsatz der Geschichte. Der gerodete, überzeitlich schöne Körper ist nicht geschaffen, um nach und nach verschlissen zu werden. Er ist auf paradoxe Weise konsumistisch-klassizistisch, insofern er vorgibt, außerhalb der Zeit zu stehen, und sich zugleich wie ein zeitgenössisches Designobjekt verhält. Man gestaltet ihn als ein neckisches Kunstwerk, um ihn im notorisch heiteren Museum der Konsumkulturen auszustellen und ihn – gleichwohl vergeblich – als einen Immerneuen zu konservieren. Das hat nichts mit religiösen Ritualen wie beispielsweise im Islam zu tun, sondern mit dem säkularen Bedürfnis der liberalen kapitalistischen Staaten, die letzten Reste der Natur aus dem Reich der Kultur und der Zivilisation zu verbannen oder zu musealisieren. Der erotische Reiz, einstmals animalisch konnotiert, wird auf diese Weise von Männern und Frauen gleichermaßen in das Projekt einer „Kosmetik der Existenz“ (Norbert Bolz) überführt.

 

Vorläufer dieser Tendenz, gerade im Bereich der maskulinen Depilation, finden wir bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Damals präsentierte sich etwa der preußische Kraftathlet Eugen Sandow, der Erfinder des modernen Bodybuildings, bei seinen weltweiten Tourneen säuberlich rasiert und überdies sanft bepudert: wie Marmor sollte sein Athletenleib schimmern. Sandows Körper bewältigte zwar noch schwere Lasten, stemmte Pferde und zerriss Ketten in den Varieté-Theatern und Zirkusmanegen. Doch es ist offensichtlich, dass die Ästhetik bereits über die Kraft dominierte. Das Körperhaar deutete der starke Schöngeist als Signatur der Zeit und des langsamen Verfalls, als Residuum des Barbarischen und Außerkulturellen. Sandows Lösung des Problems war schlicht: Kunstwerke überdauern die Zeiten. Auf der Statue des Herkules Farnese in Neapel sprießt kein Haar. Ergo muss der Körper Kunst werden. Und weil die Kunst in der Moderne den Ruf des Außergewöhnlichen, Stimulierenden, Anregenden und Exklusiven besitzt, kann sich der Körper für seinen Träger bei kluger Inszenierung und Vermarktung in barer Münze auszahlen. Heute sind es Sandows Erben, die „athletischen, neo-liberalen, modellschönen“ (Peter Sloterdijk) Fitness-Sportler, die ihre schlanken und ausdauernden Körper einerseits als persönliche Kunstwerke inszenieren, andererseits als Verkaufsargumente im ökonomischen Wettbewerb einsetzen.

 

Vielleicht empfinden viele Zeitgenossen den klassizistischen Konsumkörper gerade deshalb so anziehend und erotisch, weil er so anorganisch, so kühl und antiseptisch wirkt. Das Wesen der Erotik nämlich, schreibt der Philosoph Georges Bataille, sei die Beschmutzung – und je größer die Schönheit, „die in ihrer Vollendung das Animalische ausschließt (. . .), desto größer die Beschmutzung“.

 

Da verwundert es nicht, dass wir im Nachmittagsprogramm des Privatfernsehens miterleben dürfen, wie gestandene Mannsbilder ihren verwuschelten Brustkorb einer schmerzhaften Wachsbehandlung unterziehen; dass wir in Internetforen Jungs mit Pseudonymen wie „Würstchen, der passionierte Epilierer“ begegnen, die sich über ihren letzten Feinschliff des Unterleibs austauschen. Alle scheinen sie von einer Erotik und Schönheit zu träumen, die das Animalische und das Geschichtliche hinter sich gelassen hat – und gerade deshalb animalische Reize im Sinne einer Lust auf „Beschmutzung“ entfaltet.

 

Die utopischen Verheißungen des Konsums

 

Die Industrie hat die Entstehung dieser neuen Zielgruppe natürlich nicht verschlafen. Vor einigen Jahren etwa kam der körperregionenübergreifend einsetzbare Rasierapparat „Bodygroom“ auf den Markt, denn laut Hersteller steht bei Männern „ein glatt rasierter Körper hoch im Kurs“. Das war bis vor kurzem nicht so selbstverständlich. In den 90er Jahren noch wogte David Hasselhoffs Brusthaar am Strand von Kalifornien im pazifischen Wind, im Pornofilm der 70er und 80er Jahre tummelten sich virile Waldschrate wie Ron Jeremy oder John Holmes – Typen, deren beachtlicher Pelzbesatz ihre Potenz noch betonte: Das wilde Tier im Mann gab sich äußerlich im Fell zu erkennen. Nun wird James Bond von einem austrainierten und haarlosen Daniel Craig verkörpert, im Geschäft mit der Lust sind Filmproduzenten wie der US-Amerikaner Jules Jordan tonangebend, die ihren radikalenthaarten Darstellerinnen den Typus des gecremten, gegelten Sadisten mit Ganzkörperglatze zur Seite stellen. Sein Glied ist poliert wie ein Kanonenrohr auf einer Waffenmesse, sein Brustmuskel tanzt stramm unter einer ölglänzenden Haut. Nexus statt Sexus – mehr und mehr verbindet die blanke Haut die Geschlechter, statt sie zu trennen.

 

Man schnippelt, schneidet, rasiert, depiliert, epiliert, glättet und wachst somit weniger im Dienste sexueller Differenzierung als vielmehr im Sinne einer allgemeinen Ästhetisierung und Erotisierung des Körpers unter konsumklassizistischen Vorzeichen. Auf diese Weise sind hybride Bilder-Körper und Körper-Bilder entstanden, aerodynamische, geschmeidige, glatte Lustleiber im Zeitalter von Teflon: Wie in der klassizistischen Kunst soll alles an ihnen abperlen, die Zeit, das Alter, der Tod. Zurück bleiben die Erotik, die Ästhetik, die Kunst, die Lust, der Traum, kurzum: die utopischen Verheißungen des Konsums. Francis Fukuyamas hoffnungsvolle These vom Ende der Geschichte und vom endgültigen Sieg der liberalen Konsumkulturen findet hier ihr körperliches Äquivalent.

 

Jörg Scheller ist Kunstwissenschaftler und lebt in Stuttgart.

Edited by est
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