Sicher hat die Aufgeschlossenheit der jüngeren Generation nicht zuletzt auch mit einer unterschiedlichen Sozialisierung zu tun.
Die älteren Jahrgänge sind mit einer Gesellschaftsordnung aufgewachsen, die Prostitution noch als eindeutig verboten kennengelernt hat.
In Zeiten des Internets wachsen Jugendliche heute mit einem selbst für die Jüngsten frei zugänglichen virtuellen Sexangebot auf. Bereits in der 6. Klasse werden auf Schulhöfen pornografische Filme aus den einschlägigen Portalen gemeinsam angeschaut und getauscht.
Diese Art der zumeist von den Erziehungsverantwortlichen nicht mehr kontrollierbaren Sozialisierung zeigt sich dann möglicherweise in der beschriebenen und erlebten Offenheit der jüngeren Generation. Was offen im Internet gezeigt werden kann, kann auch emotional empfunden nicht verboten sein. Unabhängig der tatsächlichen Rechtslage FSK 18.
Der damit einhergehende Wandel im sexuellen Selbstverständnis hat für die nachwachsende Generation gravierende Folgen. Wo früher noch mit der ersten intimen Freundin oder dem ersten Freund noch eine spannende und aufregende gemeinsame Entdeckungsreise der eigenen und der fremden Körperlichkeit erlebt und empfunden werden konnte, wird heute leider viel zu oft ein mit zum Teil extremen Sexpraktiken gefülltes Internetangebot als Handlungsvorbild herangezogen. Viele junge Menschen sind damit regelrecht überfordert. Das gilt insbesondere für junge Männer, die mit einem großen Leistungsdruck vermeintliche Anforderungen ihrer weiblichen Partner erfüllen glauben zu müssen. Über das damit verbundene Rollenverständnis und das in vielen Clips vermittelte Bild der sexuellen Frau gar nicht zu reden.
Junge Männer können daher regelmäßig in der praktischen Umsetzung ihrer Sexualität latent überfordert sein. Junge Frauen hingegen sind eher angespannt, gestresst, in ihrer eigenen sexuellen Befriedigung enttäuscht und aus diesem Defizit heraus noch mehr auf der Suche nach echter Erfüllung.
In den USA gibt es in der jüngeren Generation schon lange wieder den Trend, sich den Sex vor der Ehe zu ersparen und aufzusparen. Damit rückt Sexualität wieder in den Bereich des Restriktiven.
Auf der anderen Seite gibt es offenbar gerade bei jüngeren Frauen in Deutschland die Tendenz, ihre sexuellen Erfahrungen lieber mit älteren, sexuell erfahreneren aber auch sexuell konservativeren Männern machen zu wollen. Im Gegensatz zu vielen gleichaltrigen Männern wird dabei die "alte Schule" sehr geschätzt. Der bei Gleichaltrigen gefühlte Bindungsdruck entfällt ebenfalls, weil ein älterer Mann keinesfalls für eine dauerhafte gemeinsame Lebensplanung in Frage kommt.
Nach wie vor gilt trotz sexueller Liberalisierung im Rollenverhalten immer noch, wer als Mann viele Frauen hat ist ein Held, wer als Frau viele Männer hat ist eine Schlampe. Man muss sich dazu nur einmal die sozialen Netzwerke anschauen, wie dort diese Frage diskutiert wird.
Ich halte es daher nicht für verwunderlich, dass gerade jüngere Frauen ihren Ausweg aus diesem Dilemma in einer verstärkten Hinwendung zu meist älteren Männern suchen. Wenn dies erfolgreich gelebt wird, kann auch im eigenen Selbstverständnis die Notwendigkeit zum Schutz vor gesellschaftlicher Ausgrenzung entstehen.
Dann ist man im Zweifel, falls die gehäuften sexuellen Aktivitäten im sozialen Umfeld auffallen sollten, am Ende doch lieber Sugarbabe/Escort als Schlampe. Für ersteres gibt es Geld und einen erhöhten materiellen Status obendrein, was die soziale Akzeptanz zumindest bei Gleichaltrigen und im eigenen sozialen Umfeld eher weiter fördert. Für zweiteres gibt es nach wie vor lediglich die soziale Ächtung.
Wobei meine Überlegungen sicher nur einer von vielen möglichen Erklärungsversuchen sind.